Anarchie & Disneyland

Universitätstrasse 89 zusammen mit Christian Schmid
Zürich

1982, 70 Min., U-Matic, Farbe, 13 Min. (Auszüge), Original online: Videosammlung Stadt in Bewegung (Schweiz. Sozialarchiv und Memoriav)

Die Geschichte des Kampfs um die Zürcher Liegenschaft Universitätsstrasse 89 sowie deren Besetzung Anfang der 1980er-Jahre. Impressionen aus den Wohnungen, Interviews mit Passantinnen und Bewohnern sowie mit Behördenvertretern. Diskussionen im Haus.

Interviews mit Passantinnen (B, C, D) und einem Passanten (A) vor der Universitätsstrasse 89
A   Das macht einen furchtbar schlechten Eindruck. Das ist ein Fremdkörper in unserem Quartier Oberstrass. Und wen man da hinein und hinausgehen sieht, ist eine Katastrophe. Das ist eine Filiale vom AJZ [Autonomes Jugendzentrum] und gar nichts anderes.
B    Das ist nicht gerade das Beste. Wenn man da etwas schütteln würde, kämen allerhand Sachen zum Vorschein. Oben sitzen manchmal Fräuleins an den Fenstern und lassen ihre Beine heraushängen. Und Langhaarige gibt es hier. Mir wäre es Recht, wenn da etwas anderes gebaut würde, denn es ist ein alter Kasten.
C    Wenn man die Leute sieht, die herauskommen, hat man schon das Gefühl, dass es etwas ist, das nicht mehr in die heutige Gesellschaft passt. Oder sie wollen die Gesellschaft einfach radikal ändern.
D    Diese Bude ist ja furchtbar! Das ist kein Renommee für Zürich. Eine Tschinggen-Bude [Bruchbude mit Italienern]!

Aus einer Haussitzung: Bewohner A (m), B (w), C (m), D (m)
A    Und Du willst eine Anzeige bei der Polizei machen, weil Leute in unserem Estrich schlafen! Kannst du mir sagen weshalb? Ich kann das nicht nachvollziehen.
B    Okay, mir ist das Ganze über den Kopf gewachsen: überall in diesem Haus, wo man den Fuss hinsetzt, sind irgendwelche, die du weder kennst, noch weisst du, was sie hier machen, ob es Mitbewohner sind oder irgendwelche Herumhänger oder Besuch. Oder ob sie gerade daran sind, den Dachboden auszuräumen. Das ist schon einmal geschehen.
A    Ja, das weiss ich.
B    Es ist uns auch schon Geld geklaut worden. Diese Geschichten kennt man.
A    Aus den Wohnungen heraus, ja das stimmt.
B    Und bei jedem, den du siehst, denkst du: Was ist das für ein Typ? Die Fluktuation im Haus ist gross und es gibt keine zentrale Kontrollstelle, wo du dich informieren kannst.
A    Du lebst ja von deiner Kunst und für dich ist alles Kunst, sogar eine Anzeige bei den Bullen. Und da hört es für mich auf. Nicht das ganze Leben ist ein Akt von Kunst.
C    Irgendwo hat es einfach Grenzen!
D    Ja, bei dir schon. Und ich sehe auch ein, dass es irgendwo Grenzen hat. Aber jetzt übernachten ja nur noch zwei oben, und ich finde, das liegt innerhalb der Grenzen. Bei uns im ersten Stock: Was meinst du wie viele Leute tagtäglich hereinkommen, die du hinauswerfen musst? Weisst du, so verdammte Penner und Alkis. Aber ich hole nicht die Bullen, sondern ich kann selber noch etwas machen, ich werfe sie einfach hinaus.

 

 

 

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