Kommentar Thomas Krempke

Thomas Krempke ist einer der vier Autoren des Kultvideos Züri brännt über die Zürcher Jugendunruhen von 1980/81. Natürlich waren an der Herstellung dieser 100 Min. Dokumentation mit Strassenschlachten, Nacktdemos und Punkmusik noch viele andere Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Videoladen und dessen Umfeld in der Bewegung beteiligt. Doch der eigentliche Schnitt des Videofilms mit dem legendären Kommentar von Silvano Speranza geschah in einem kleinen Team.

Thomas Krempke: «Die Anfangssequenz von Züri brännt dauert relativ lang, fünf, sechs Minuten. Diese Fahrt erzählt die ganze Vorgeschichte. Damit waren die ästhetischen, künstlerischen und konzeptionellen Pflöcke eingeschlagen. Wir waren begeistert und wollten auf diese Weise weiterarbeiten. Nachdem wir die Vorgeschichte bis zum Opernhauskrawall erzählt hatten, engagierten wir eine Sängerin, die für uns die ‹Königin der Nacht› sang. Da machten wir eine Mischung mit The Bucks und der Königin der Nacht. Das war der Höhepunkt, der Ausbruch des Opernhauskrawalls. Wir filmten laufend zusätzliches Material. Irgendwelche Wohnsilos und anderes. Und natürlich die Fahrten, die filmten wir mit einem Deux-Chevaux, oben zum Dach hinaus. So ging es immer weiter: die ersten fünf Minuten, dann weitere fünf Minuten.» (vgl. Thomas Krempke Video 15.41: Die Montage von Züri brännt als kollektiver Prozess)

An den Solothurner Filmtagen im Januar 1981 wurde Züri brännt zur Sensation. Er wurde in der Folge in vier Sprachfassungen in Italien, in England, in Amsterdam und an anderen Orten gezeigt und an die Berliner Filmfestspiele eingeladen. Auch in Zürich stiess das Videoepos auf grosses Interesse.

Thomas Krempke: «Dank der Filmcooperative konnte man Edi Stöckli gewinnen, der damals Porno-Kinos betrieb. Ihm gehörte auch das Walche-Kino, das er als Abspielort für Züri brännt zur Verfügung stellte: 40 000 Eintritte. Das war viel. Aber das war vor allem den Jugendunruhen zu verdanken und hatte mit dem Film erst in zweiter Linie zu tun. Denn alle Leute wollten wissen: Was sind diese Jugendunruhen? Es hatte viele Leute überrascht, was alles in dieser Stadt geschehen war.» (vgl. Thomas Krempke Video 25.06: Vertrieb von «Züri brännt» durch die Filmcooperative)

Tauchen Sie ein in den Zürcher Untergrund der frühen 80er-Jahre. Sie werden es nicht glauben, aber Zürich war einmal eine biedere Stadt. Bevor die Jugendunruhen alles auf den Kopf stellten.

Heinz Nigg

Das unabhängige Videoschaffen und das internationale Phänomen der Jugendbewegungen in Europa befeuerten sich in den 1970er- und 1980er-Jahren gegenseitig: Die jungen Aktivisten entdeckten das Video als neues Medium, brachten Proteststimmungen zum Ausdruck und kämpften um autonome kulturelle Freiräume. Videoproduktionen entstanden partizipativ, unmittelbar und schnell; sie markieren einen wichtigen Schritt ins digitale Zeitalter.

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